How to Demystify The Machine
Die in Deutschland lebende und lehrende kanadische Medienkünstlerin Darsha Hewitt zeichnet sich durch ihre besondere Affinität zu Technologien im do-it-yourself Stil aus. Aus ausgesonderten TV- und Haushaltsgeräten, Funksendern und Mobiltelefonen macht sie audio-kinetische Skulpturen, die sich auch für den Nachbau eignen. Ihre raffinierte Manipulation von Apparaten und deren elektrischen Schaltkreise bezeichnet sie als „critical-hacking“, denn es geht ihr nicht nur darum, ein Verständnis für die Funktionsweise technischer Geräte des Alltags zu vermitteln, sondern ebenfalls ihre – von Werbung und Konsumkultur erzeugte – Auratisierung zu de-mystifizieren. In Workshops, Online Tutorials und als Hochschuldozentin gibt sie Anleitungen zum Bauen und einfachen Umlenken ihrer Funktionsweisen. Sie setzt den Geist früher Medienpionier*innen fort und erweitert deren Erfindungsreichtum mit spielerischen Experimenten und Alltagshacks. Auch medienarchäologisch trägt ihre Arbeit dazu bei, die Entwicklungsgeschichte von Technologie festzuhalten.
Klang spielt in Hewitts Werken trotz vornehmlich visueller Aspekte der Skulpturen, Videos und Installationen eine besondere Rolle. Dabei sind es nicht immer die augenscheinlichsten Geräusche, die sie zu Tage fördert. Hewitt nutzt sonst nicht wahrnehmbare Interferenzen, den Elektrosmog elektronischer Geräte oder Mikrosignale in Schaltkreisen in ihren Klangskulpturen und erweiterten Schaltkonsolen. So macht sie die Signale eines Mikrochips in Disco LED Hack (2016), einer LED Leuchtiode im Inneren eines Spielzeugmikrophons als Technobeat wahrnehmbar. Die Videoanimation DIY Sonic Loophole Generator (2017) zeigt wie man das akustische Feedback im eigenen Mobiltelefon ganz einfach in einen Generator für Feedbackschleifen verwandeln kann. In trivialen Alltagsapparaten lässt sich Faszinierendes entdecken.
Die überaus starke Aura elektromagnetischer Felder zeigt die poetische Klanginstallation Electrostatic Bell Choir (2012-2013, s. Buch). Hier nutzt Hewitt die elektrostatische Aufladung von ausgedienten Fernsehgeräten, um einen mechanischen Glockenschlag anzutreiben. Schalten sich die alten Transistorfernsehgeräte ein und aus, erzeugen ihre Bildröhren ein elektrisches Feld, das die Mattscheibe auf- bzw. entlädt. Der Schläger bewegt sich und die Glocken klingen dem Flimmern auf magische Weise nach. Genauso, wie Hewitt die Grenzen von Video- und Klanginstallation aufweicht, sind ihre Live-Performances keine klassischen Auftritte, sondern integrieren Live-Montage mit Stand-up Comedy und didaktisch-partizipativer Anleitung. In 20 Oscillators In 20 Minutes (seit 2016) baut sie auf der Bühne, interaktiv mit dem Publikum und unter Zeitdruck, Oszillatoren-Schaltkreise zusammen. Es geht ihr weniger um das musikalische Erlebnis – zu hören sind Rechtecksignale, die den Lautsprecher lediglich ein- oder ausdrücken und nur einen kakophonisch-klickenden Rhythmus erzeugen – als um die Vermittlung der technischen Hintergründe. In HackLabs auf Medienkunstfestivals der ganzen Welt fällt ihr unmittelbarer und sympathisch selbstironischer Stil im Umgang mit dem technischen Equipment auf. Sie ist keine Perfektionistin, sondern legt es auf Technik zum Anfassen und Scheitern an. Hewitt verbindet Expertise mit Humor.
Seit 2015 beschäftigt sich Darsha Hewit mit der Geschichte des Sideman 5000, der ersten kommerziellen Drum-Maschine von Wurlitzer, die 1959 auf den Markt kam. Die meisten dieser Geräte landete jedoch im Müll. Für die Freilegung dieses seltenen medienarchäologischen Gegenstands und seiner Erhaltung ist Hewitt in der Elektronik-Hackergemeinde bekannt geworden. Die Skulptur Shimmer Generators V.3D (2018), eine Fortsetzung dessen, zeigt die Schönheit und organische Form im Inneren dieser Erfindung des Jukebox-Herstellers.
Text: Lona Gaikis, 2019.
Originaltext zur Publikation “Hidden Alliances – Versteckt Verbunden”. Herausgeber*innen: Elisabeth Schimana, IMAInstitut für Medienarchäologie und ARS Electronica. Berlin: Hatje Cantz, 2019.
Das Buch ist im IMA – Shop online erhältlich.