CAMAE AYEWA (MOOR MOTHER)

From The Blackest of Futures

“Everything I do is a true story.”

Die Realität sozialer Brennpunkte zeigt die Noise Musikerin und Hardcore-Poetin Camae Ayewa in Live-Improvisationen und gewaltigen Gedichtbänden. Schönreden will die Aktivistin und Künstlerin – seit 2012 als Moor Mother aktiv – die dystopische Vision nicht, die sie von der Zukunft moderner Ghettos für Afro-Amerikaner*innen und legale sowie illegale Migrant*innen, den sog. „people of color“, in den USA hat. Die lodernden Probleme, die sie als Workshop-Leiterin und Betreuerin von Jugendlichen im Mikrokosmos Philadelphias Wohnbauprojekten ausmacht, sind relevant für den ganzen Globus: Die Welt sieht sich zunehmenden Herausforderungen durch ökonomische und soziale Ungleichheit entgegengestellt. Ihre Themen berühren Polizeigewalt, Unterdrückung von Minderheiten, Gentrifizierung und die sukzessive Erosion der Zivilgesellschaft. Ihre Zukunftsvision orientiert sich am Afrofuturismus – auch aus Philadelphias Projects hervorgegangen. Anders als die aktivistische Utopie des Jazzmusikers Sun Ra, der astro-visionäre Fiktionen entwarf und der grassierenden Arbeitslosigkeit mit der Vermittlung von Arbeitsplätzen im Weltraum entgegenzuwirken versuchte, lassen die konstante Stagnation in der Entwicklung besserer Lebensbedingungen und Bildungsmöglichkeiten – gerade für Afroamerikanerinnen –, die harschen Regulierungen und zusätzlichen Sparmaßnahmen der Trump Regierung, Ayewas Vision zum erbitterten Kampf ums Überleben werden. Klangliche Environments aus ihrem Alltag, Perspektiven der Kinder, mit denen sie arbeitet, privates Material, historisches und Tagesnachrichten verfremdetet und vermischt sie zu prophetischen Noise- und Improv-Sets. Der Jazz und die Fähigkeit, neue Mythen als Hebel für den sozialen Aufstieg zu konstruieren, sind weiterhin wichtig.  Sie kritisiert den Poverty-Porn der Hipster und entlarvt positiven wie negativen Rassismus. Dabei etabliert sie neue Musikgenre für die gesellschaftlich Ausgestoßenen: Blk-Girl-Blues, Project-Housing-Bop, Slaveship Punk und Witch Rap.

Gemeinsam mit ihrer Partnerin, der Bürgerrechtsanwältin Rasheedah Phillips, entstand 2012 die Initiative Black Quantum Futurism (BQF) als Gemeindeprojekt und künstlerische Methode. Geschichte ist zyklisch. Jedwede Zukunft basiert auf einer Vision, die von positiven sowie negativen Eindrücken bestimmt ist. BQF verdichtet Raum und Zeit in einer Synthese von Erinnerung, Schmerz und Tod durch Sound, um Traumata zu erkennen und die Zukunft in eine konstruktive Richtung lenken zu können. Moor Mother – Mutter sedimentierter Wut – befreit vom Selbsthass und den Konflikten mit unserem Ursprung und dem weiblichen Körper. Über ihr Debut Fetish Bones 2016 hinaus verkörpert sie die zu Fleisch gewordene Proteststimme der in Ketten gehaltenen afroamerikanischen Geschichte. Aus dem schwarzen Loch der Stimmlosigkeit befreit Ayewa mit ihrem Wort Menschen aus der Spirale des wahren weltlichen Horrors.

Text: Lona Gaikis, 2019

Originaltext zur Publikation “Hidden Alliances – Versteckt Verbunden”. Herausgeber*innen: Elisabeth Schimana, IMAInstitut für Medienarchäologie und ARS Electronica. Berlin: Hatje Cantz, 2019.

Das Buch ist im IMA – Shop online erhältlich.