eye work

Bernd Oppl: Water is my eye (2024). Video und Ton, 05:46 min, Loop.

English

eye work
Bernd Oppl
11.03.2025 – 28.03.2025

Einzelschau
bb15 – Space for Contemporary Art, Linz.

Prolog:

Halten Sie sich ein Auge mit Ihrer flachen Hand zu.

Wie nehmen Sie die Welt nun wahr? Halbiertes Sichtfeld. Es ist schwer, die Distanz von Objekten gut abzuschätzen? Sie sind erstaunt, dass Ihnen das Blatt, auf dem dieser Text gedruckt ist, näher erscheint als gedacht? Kommt Ihnen das Blatt sogar größer vor?

Die stereoskopische Wahrnehmung – jene Grundlage, auf der die erkenntnistheoretische Privilegierung unseres Sehsinns ruht – wird kurzzeitig verfremdet. Bleibt dieser Zustand erhalten, gewöhnt sich das Hirn an die monokulare, die einäugige Wahrnehmung. Nach 6-12 Monaten käme es sogar zu einer physiologischen Reorganisation des visuellen Kortex. Bevor das passiert, könnten Sie die Tiefenwahrnehmung im Alltag durch die relative Bewegung von Objekten, deren Überlagerung, Schattenwurf und Unschärfen als eine „scheinbare“, psychologische Darstellung von Perspektive kompensieren. Diese Illusion von Raum und Distanz würde es Ihnen ermöglichen, sensomotorisch nur geringfügig beeinträchtigt zu sein. Ihr Umraum wäre jedoch zu einem noch viel größeren Anteil an Ihrer Orientierung beteiligt. Womöglich würde Ihnen bewusst werden, auf welch konkrete Weise der Umraum an ihrer Verortung beiträgt. Technische Hilfsmittel bewiesen sich in dieser Situation weniger als Prothese des Körpers, sondern als zusätzliche Trichter der Außenwelt, durch die sich Ihre Wahrnehmung in andersartigen Rückkopplungen und Schleifen generiert.

Bernd Oppl: phantom Power (2024). Sound Installation. 3-teilig. Maße variabel. Tonbandgerät, Magnetbandschleife, Lampenfassung und farbige Leuchtstoffröhren (rot, grün, blau). Loop.

eye work

11.03.2025 – 28.03.2025

Unsere Wahrnehmung entspringt dem Spektrum unserer Sinne und Apparate, unseres organischen und deren mechanischen Abstraktionsvermögens. Der Kognitionswissenschaftler, Mathematiker und KI-Pionier Douglas Hofstadter verortet unser Bewusstsein in Rückkopplungen, flüchtigen, ‚seltsamen Schleifen‘, zwischen Innen- und Außenwelt. Im Zeitalter der anhaltenden informationsverarbeitenden Wende erweitert sich die multiplexe, durch Nervenbahnen vermittelte Wahrnehmung mit Schaltkreisen, Mikrochips und Displays zu einem technisch augmentierten Sensorium. Die paradoxen Prozessabläufe zwischen Subjekt, Objekt und vermittelnder Instanzen (technē) bestimmen unsere epistemischen Systeme. So erweist sich das zeitgenössische Ich als Produkt seiner Verschränkung mit dem Umraum und den technischen Medien. Anfällig für kognitive Modulation und emotionale Temperierung.

Bernd Oppls Werke in der Ausstellung „eye work“ thematisieren das unsichtbar moderierende und modulierende dieser seltsamen Schleifen zwischen Vermittlung und Wahrnehmung. Dabei stülpt sich ein Inneres rekursiv nach Außen, manifestiert in modellhaften Innenräumen, denen ein eigenständiges Wollen eingehaucht ist.

Strange Loops (2024) – eine Serie von vier Videoobjekten – porträtiert das Eigenleben sonst unbeachteter Gegenstände. Als Zeugnisse verlassener Bewegungen werden sie, herausgelöst aus ihrem Referenzsystem, zu eigenständigen Mittlern subkutaner Empfindungen, Ahnungen und Erinnerungen. Sie verkörpern die Verkettung psychophysischer Abstraktionsebenen, die durch die technologische Verfremdung unserer Sinne zu ‚Stranger Loops‘, seltsamerer Schleifen, werden.

Die Videoarbeit Water is my eye (2024) vollzieht diese nach außen hin gerichtete Selbstbezüglichkeit unseres Bewusstseins konsequent: Der Bildschirm klappt die Augenhöhle als leeren, sonnendurchfluteten Guckkasten auf, während der Tränen Weg durch die Tür hereinbricht. Unterstützt von unheimlich synthetischen Klängen und dem in Zeitlupe verfremdeten Bewegtbild, rinnen die Tropfen vom gegenüberliegenden Fenster. Das Auge selbst verbleibt im Wechsel seiner Projektion – zwischen statischem Bildausschnitt, Lichtfenster und Bildschirm, auf dem sich die aufleuchtenden Bildpunkte, über unsere Retina vermittelt, zur Form verschränken.

In der raumgreifenden Klanginstallation phantom Power (2024) flackert eine elektrische Spannung, die sowohl unseren Nervenimpulsen ähnelt als auch die Leuchtstoffröhren aktiviert. Die bespielten Magnetbandschleifen erzeugen hier ein visuell-klangliches Muster, das die Anziehungskraft und unsere Ausrichtung auf das RGB-Spektrum digitaler Displays reflektiert. So macht Bernd Oppl jene seltsamen Schleifen in der Ausstellung greifbar, die nach Hofstadter eigentlich „schüchterne Wesen sind, die das Tageslicht meiden“ – kurze Momente, in denen die Struktur und technologische Vermitteltheit unserer Wahrnehmung sich zeigen.

Text: Lona Gaikis, März 2025.

Bernd Oppl, österreichischer Medienkünstler. 2024 Preisträger des Professor-Hilde-Goldschmidt-Preises zur Förderung von österreichischen oder in Österreich lebenden jungen Kunstschaffenden. Künftiger Stipendiat des ISCP International Studio & Curatorial Program, New York, 2026.

https://berndoppl.net