BRIGITTA BÖDENAUER

Zwischen Noise und Abstraktion

Das Werk der österreichischen Klang- und Installationskünstlerin Brigitta Bödenauer umfasst viele Facetten. Seit den frühen 1990ern ist sie als DJ in der Experimental und Noise Szene Wiens bekannt, sie ist Filmemacherin und entwickelt an der Schnittstelle von Kunst und Naturwissenschaft kinetische Objekte aus Klang und Licht. Besonders die Loslösung vom statischen Bild und klassischer Form von Musik eröffnen Bödenauer die bemerkenswerten Grenzbereiche, die in ihren Werken so zentral sind. Was sich zu Beginn ihres Schaffens als filmisches Experiment und Lichtspiel mit architektonischen Anklängen artikulierte, ist zunehmend abstrakter, klanglicher und struktureller geworden. Mit der Installation How Far Is 12 cm? 2012 löst sich Bödenauer, nach einer Reihe von Erfolgen im Kurzfilmgenre von 2003-2008, immer mehr vom Film- und Videomaterial ab und animiert das Spiel von Licht und Schatten mit sich bewegenden Objekten außerhalb des Projektors. Die klangliche Qualität des Apparats und seine reine Funktion als Lichtquelle werden zum Gestaltungsrahmen. Partial Intimacies 2012 nutzt hingegen das Skelett der Zuhörer*innen als Resonanzkörper. Die zweitteilige Installation von Video und Sound auf einem Tisch funktioniert nur, wenn man sich mit den Ellenbogen abstützt und die Zeigefinger ins Ohr hält. Der menschliche Körperbau ist akustisches Verbindungsglied und macht den Klang durch den Kontakt von Unterarmknochen und Gehörknöchelchen wahrnehmbar. Dieser Verweis auf das Headphone Table 1978 der Musikavantgardistin Laurie Anderson macht einen weiteren Aspekt ihrer Auseinandersetzung deutlich: Fließen die Grenzen von Medien ineinander über, so lösen sich auch die Grenzen der Wahrnehmung auf. Die Widersprüchlichkeit der Medienerfahrung wird durch das unerwartete Hörerlebnis mit verschlossenen Ohren deutlich.

Ihre jüngsten Arbeiten thematisieren weiterhin die Schwelle des Hörbaren und seine Darstellung als Struktur. Die Licht- und Nicht-Klang (Unsound) Installation Stranded 2016 zeigt eine fortlaufende Beschäftigung mit Frequenzen unterhalb des Wahrnehmungsbereichs. Das Unhörbare bildet sie dabei durch aufgespannte Nylonfäden ab, die sich mit den Schwingungen unterschiedlicher Frequenzen bewegen. Wiederum nicht sichtbares, ultraviolettes Licht wird vom Weiß der Fäden reflektiert und definiert den dreidimensionalen Raum wie eine mathematische Abstraktion. Die versprochene Stille wird mit dem ersten Ton und der Vibration der Saiten gebrochen. Trotz Beschäftigung mit Klang- und Nicht-Klang-phänomenen, bleibt Bödenauer visuellen Aspekten stark verschrieben. Im Noise der Wahrnehmungen – im Bereich eines noch undefinierten Rauschens – positioniert sie sich zwischen den Rezeptoren sinnlicher Erfahrung und fordert die Musik mit technischen und materiellen Mitteln heraus.

Text: Lona Gaikis, 2019

Originaltext zur Publikation “Hidden Alliances – Versteckt Verbunden”. Herausgeber*innen: Elisabeth Schimana, IMAInstitut für Medienarchäologie und ARS Electronica. Berlin: Hatje Cantz, 2019.

Das Buch ist im IMA – Shop online erhältlich.